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Frug und Trug …

Wenn ich das Verb „fragen“ in die Vergangenheit schicke, dann wird bei mir daraus ganz selbstverständlich „frug“. Da man in der Alltagssprache nur noch selten zum Präteritum greift, war es erst vor einer kurzen Weile, da sich ein Kollege über diese seltsame Form amüsierte. Die vorgeschlagene Alternative „fragte“ klang dagegen für mich fürchterlich falsch. Nun bin ich dazu gekommen, der ganzen Sache mal etwas näher auf den Grund zu gehen und bin dabei auf einen spannende sprachliche Entwicklung voller Irrtümer gestoßen, welche das ganze hier überhaupt erwähnenswert macht.

Wenn man im Wörterbuch nachschlägt (z.B. im Duden, bei DWDS, bei Canoo oder im deutschen Wiktionary), dann ist man sich dort einig, dass die heute allgemein akzeptierte Vergangenheitsform tatsächlich „fragte“ lautet. Wenn überhaupt „frug“ erwähnt wird, dann mit dem Hinweis „landschaftlich“, also eine regionale Sprechweise darstellt. Alle Wörterbücher drücken sich jedoch darum, das in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Eine Internetsuche fördert eine ganze Reihe laienhafter Erklärungen zu Tage (z.B. bei gutefrage, wer-weiss-was oder Yahoo! Clever), die im Kern aber auf das gleiche hinauslaufen (und manchmal ganz offensichtlich Anleihe bei Thomas Steinfelds „Der Sprachverführer“ nehmen). Ursprünglich sei „fragen“ mal ein starkes Verb gewesen. Also eines, bei dem eine Lautverschiebung im Stammvokal beim Konjungieren auftritt. So wie bei „fahren“ > „fuhr“, „graben“ > „grub“, „tragen“ > „trug“ oder „backen“ > „buk“. Da der Deutsche aber starke Verben blöd findet, macht er einfach mit der Zeit schwache draus, weil die so schön modern sind. Tatsächlich sagt man heute wohl eher „backte“ als „buk“. Und so wurde irgendwann analog aus „frug“ „fragte“.

Bevor man jetzt in Tränen ausbricht, ob der armen, aussterbenen, starken Verben, die niemand mehr lieb hat, sei gesagt: dass „fragen“ irgendwann einmal ein starkes Verb war, ist eine Mär. Das merkt man, wenn man mal andere Formen gemäß der 6. Ablautreihe, in die die obigen Verben fallen, bildet: „fahren“, „er fährt“, „er fuhr“, „er hat gefahren“, ebenso „graben“, „er gräbt“, „er grub“, „er hat gegraben“, genau wie „tragen“, „er trägt“, „er trug“, „er hat getragen“ und jetzt alle: „fragen“, „er frägt“, „er frug“, „er hat gefragen“. Autsch! Das Verb „fragen“ kommt tatsächlich vom althochdeutschen „frāgēn“, hat damals noch ein lang gesprochenes A und war damit noch nie ein Kandidat für eine starke Beugung. Tja, das wars mit der netten Theorie.

Der Linguist Dr. Bopp und der Duden-Newsletter verorten die Herkunft der Sonderform „frug“ dagegen im Niederdeutschen, von wo aus sie auch in das Hochdeutsche floß, dort im 19. Jahrhundert einen kurzen Hype erlebte und dann wieder verschwand. Daniel Scholten von Belles Lettres ist dieser Spur in einem sehenswerten Video-Tutorial mal etwas genauer nachgegangen und hat im Altniederdeutschen eine alternative Wortbildung mit der Bedeutung „fragen“ gefunden, die stark konjugiert wurde. Dummerweise verschwand diese bereits nach kurzer Zeit wieder und spätestens im Mittelniederdeutschen sind keine Spuren mehr davon zu finden. Unwahrscheinlich also, dass das ein halbes Jahrtausend später urplötzlich im Hochdeutschen wiederentdeckt wurde. Scholten fand allerdings diverse Wörterbücher des Neuniederdeutschen, in denen nun eine starke Begung als Alternative zur schwachen aufgezeigt wird. Im Dunkeln bleibt jedoch, wieso diese Alternative dort spontan auftauchte. Nach Scholtens Theorie entstand die Sonderform in Wahrheit vereinzelt im hochdeutschen Sprachraum im Bereich von Thüringen und Sachsen. Als das Hochdeutsche immer mehr an Einfluss gewann, fand die falsche Form im niederdeutschen Sprachraum in den ungeübten Sprechern einen dankbaren Nährboden. Die kurzzeitige Übernahme ins Hochdeutsche ist dann sozusagen als Reimport zu verstehen.

Die genaue Herkunft bleibt letztlich doch etwas nebulös. Klar ist nur, dass es sich eben nicht um eine ursprüngliche Form des Verbs handelt, sondern eher mal ein neumodischer Trend war. Und wieso ich so selbstverständlich „frug“ benutze, während es kaum ein Mensch um mich herum gebraucht? Keine Ahnung, vermutlich zu viel 19.-Jahrhundert-Literatur in der Schule.

Ein Kommentar zu „Frug und Trug …“

  1. Gravatar von Axel

    Axel schrieb am 2012-05-22 um 20:08 Uhr:

    Hihi, interessante Fragen. Ich habe mal soeben unsere Mädels gefragt, beide lernten in der Schule „fragte“.
    Auf mich bezogen, ich kenne beides. Frug nutze ich eher schriftlich und fragte mündlich. Warum kann ich leider auch nicht sagen. Scheinbar ist frug etwas aus der Literatur.

    „Frägst“ … Das kenne ich aus unserem Sprachgebiet. Thüringisch-Obersächsische Dialektgruppe, speziell Mansfelder Mundart und deren drei Unterarten … Aber nicht im Präteritum! „In China ist ein Sack Reis umgefallen. Stimmt es?“ „Frägste mal den Thorsten ob es stimmt!“ 🙂

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