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Lost Railways Duisburg: Die Verbindungskurve am alten Steinbruch

Geoff Marschalls YouTube-Serie „London’s Lost Railways“ hat mich vor einem Jahr dazu gebracht, mich in die faszinierende Geschichte der Eisenbahn auf Duisburger Stadtgebiet einzulesen und zu recherchieren, welche Strecken hier im Laufe der Zeit stillgelegt wurden. Und obwohl insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland viele Strecken aufgegeben wurden, sind auf Duisburger Stadtgebiet erstaunlich wenig Streckenkilometer verloren gegangen. In unregelmäßigen Abständen nehme ich euch mit auf die Lost Railways in Duisburg.

Vorab müssen wir zum besseren Verständnis, wieso bestimmte Strecken existieren und später eventuell wieder aufgegeben wurden, zwei wichtige Voraussetzungen klären.

Als Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Eisenbahnstrecken hier in der Region gebaut wurden, beschränkte sich das Duisburger Stadtgebiet noch auf das Gebiet rund um die heutige Innenstadt. Die nördlichen, westlichen und südlichen Stadtteile waren damals noch eigenständige Orte oder Dörfer, die erst viel später eingemeindet wurden. Das erklärt die aus heutiger Sicht vielfach fehlenden Eisenbahnverbindungen innerhalb des Duisburger Stadtgebiets. Will man beispielsweise vom Hauptbahnhof per Zug nach Norden, müsste man immer über Oberhausen fahren.

Weiterhin war der Bau, Unterhalt und Betrieb von Eisenbahnstrecken und Zugverbindungen anfangs allein durch private Unternehmen organisiert. Auf dem heutigen Duisburger Stadtgebiet buhlten vier verschiedene Eisenbahngesellschaften um die Gunst der Kunden. Das hatte vielfach redundante Infrastruktur zur Folge. So gab es anfangs drei verschiedene Bahnhöfe nebeneinander in der Stadtmitte, Strecken wurden teils parallel zueinander gebaut.

Im ersten Teil der Serie geht es um die Verbindungskurve am alten Steinbruch, die einst Teil einer Hauptstrecke war, die von Mülheim-Speldorf, über Duisburg-Wedau, Ratingen, den Düsseldorfer Osten, Hilden, den Leverkusener und Kölner Osten bis nach Troisdorf verlief. Gebaut wurde die Strecke durch die Rheinische Eisenbahn (RhE), die als letztes Unternehmen das Duisburger Stadtgebiet erreichte. 1866 eröffnete sie zunächst eine Strecke von Krefeld über Rheinhausen bis zum Rhein. Hier wurde ein Trajekt (eine Eisenbahnfähre) eingerichtet, die die Passagiere und Güterwagen auf die andere Rheinseite nach Hochfeld übersetzte. Die Strecke verlief dann am südlichen Rand der damaligen Stadt Duisburg durch den Stadtwald weiter nach Speldorf und schließlich nach Mülheim. Von hier verlief die Strecke parallel zur bereits bestehenden Strecke der Bergisch-Märkischen-Eisenbahngesellschaft (BME) quer durch das Ruhrgebiet bis nach Dortmund.

Übersichtskarte über die Eisenbahnstrecken südlich von Duisburg-Neudorf. Die Fotopunkte, auf die in den folgenden Bildunterschriften verwiesen wird, sind durch gelbe Dreiecke markiert Enthält Kartenmaterial von OpenStreetMap.

Der Personentransport war für die RhE auf der Ruhrgebietsstrecke nie allzu lukrativ, da man im Gegensatz zur BME die Bahnhöfe eher abseits der Stadtzentren errichten musste. Daher forcierte man den Güterverkehr umso mehr, indem man Zechen und Industriebetrieben kostenlose Gleisanschlüsse spendierte und sehr günstige Tarife bot. Um die rechte Rheinstrecke von Köln nach Wiesbaden an die Ruhrgebietsstrecke der RhE anzuschließen, begannen im Anschluss die Arbeiten an besagter Verbindungslinie zwischen Mülheim-Speldorf und Troisdorf, die 1874 eröffnet wurde.

[1] Blick vom Bahnübergang Katzenbruch in Richtung Mülheim-Speldorf …

Die neue Strecke zweigte etwa in Höhe der heutigen Stadtgrenze zwischen Mülheim und Duisburg ab, wo man die Blockstelle Katzenbruch einrichtete. Heute befindet sich hier nur noch ein einzelnes Gleis und auch der Bahnübergang am Katzenbruch wurde seitdem neu asphaltiert. Die breite Waldschneise zeugt aber noch sehr eindrucksvoll davon, dass hier einst 3 bis 4 Gleise parallel entlang führten.

[1] … und Richtung Duisburg.

Nur kurz hinter dem Bahnübergang findet man auf der südlichen Seite in einem sumpfigen Gebiet eine langgezogene Betonrampe, die wie ein Bahnsteig oder eine Laderampe wirkt. Einen Bahnhof oder Haltepunkt gab es hier meines Wissens aber zu keiner Zeit.

[2] Bahnsteig oder Laderampe?
[2] Auf beiden Seiten befindet sich eine abgeschrägte Kante

Noch mysteriöser ist eine doppelte Reihe niedriger Betonpfeiler, die für ein Stück durch den Wald und das sumpfige Gebiet führen. Man könnte annehmen, dass sie vielleicht einst eine Brücke getragen haben, aber sie stehen abseits der Eisenbahntrasse und führen ziellos in den Wald hinein.

[2] Betonpfeiler, die einfach nur so herumstehen
[2] Panoramaaufnahme aller Betonstrukturen

Kurz darauf trennen sich die Trassen nach Krefeld und Köln. An der Überführung über den Hombergweg kann man noch deutlich erkennen, dass die Strecke ursprünglich zweigleisig war. Nachdem die preußische Staatsbahn Ende des 19. Jahrhunderts sämtliche privaten Eisenbahnunternehmen in der Region übernahm, wurden die einstigen Strecken der RhE vor allem für den Güterverkehr genutzt, um die zentraler gelegenden Strecken für den Personenverkehr zu entlasten. Als dann Ende des 20. Jahrhunderts die Montanindustrie des Ruhrgebiets niederging, verschwand auch die Bedeutung dieser Eisenbahnstrecken. Der spärliche Personenverkehr zwischen Mülheim und Mülheim-Speldorf wurde Mitte 1970 aufgegeben; der zwischen Mülheim-Speldorf und Duisburg-Wedau über diese Verbindungskurve Ende 1971. 2002 wurde der Streckenabschnitt zwischen Mülheim und Mülheim-Speldorf über die Ruhr endgültig stillgelegt, wodurch die einstige Hauptstrecke zu einem reinen Anschlussgleis für das Industriegebiet rund um den Mülheimer Hafen degradierte.

[3] Die Überführung über den Hombergweg ist noch für die zweigleisige Hauptstrecke gebaut worden.

Den Umstand, zwei Verbindungen zu diesem Anschlussgleis zu unterhalten, hielt man in der Folge wohl für unnötigen Luxus, zumal der Wedauer Güterbahnhof ebenfalls vor dem Aus stand. 2006 wurden der Wedauer Güterbahnhof und diese Verbindungskurve daher stillgelegt. Während der Fahrdraht abgebaut wurde, liegt das letzte Gleis noch immer an Ort und Stelle und wird allmählich von Bäumen und Büschen überwachsen.

[4] Die Vegetation erobert sich die Trasse zurück.

Kurz darauf überquert die Strecke die Autobahn A3. Als diese Ende der 1990er Jahre auf 6 Spuren erweitert wurde, musste an dieser Stelle eine komplett neue Eisenbahnbrücke gebaut werden. Zwar ist diese nur noch eingleisig ausgeführt, da die Verkehrbedeutung der Verbindungskurve schon zu dieser Zeit nur noch marginal war, doch wenn man bedenkt, dass die Strecke nicht einmal 10 Jahre später sowieso stillgelegt wird, hätte man sich das Geld auch sparen können. Jetzt steht die hübsche Brücke einfach nur so da rum.

[5] Eisenbahnbrücke über die A3: die Masten stehen noch, der Fahrdraht wurde abgebaut.

Schlussendlich überquert die Eisenbahnstrecke die Koloniestraße. Diese Brücke ist noch erkennbar für die zweigleisige Hauptstrecke gebaut worden, wobei später allerdings nur noch der vordere Brückenteil genutzt wurde. Auch diese Brücke steht jetzt einfach nur noch so da rum.

[6] Die Brücke über die Koloniestraße wurde offenbar von MSV-Fans „verschönert“.

Quellen

Lost Places: Der Schlackeberg an der Regattabahn

Die Regattabahn ist auch über die Grenzen Duisburgs hinaus bekannt. Weniger bekannt und beinahe schon vergessen ist ein länglicher, namenloser Hügel, der sich zwischen Regattabahn und dem Barabarasee im Nordosten erstreckt. Als Ruhrgebietskind weiß man, dass Hügel hier selten natürlichen Ursprungs sind. Dieser hat eine interessante Geschichte zu erzählen.

Der namenlose Hügel zwischen Regattabahn und Barbarasee in gelb hervorgehoben – Kartenmaterial von OpenStreetMap

Die Geschichte beginnt im Jahr 1873, als der Industrielle Alfred Krupp ein großes Gelände am südlichen Rand des damaligen Duisburger Stadtgebiets erwirbt. Da sein Unternehmen boomt und das Werksgelände in Essen keinen Platz für Expansion mehr bietet, möchte er sich frühzeitig weitere lukrative Standorte im Ruhrgebiet sichern. Das Gelände ist deshalb so interessant, da es im Westen, Norden und Osten von verschiedenen Eisenbahnstrecken flankiert wird. Bedeutung bekommt das Gelände für die Firma aber erst nach seinem Tod, als sein Sohn Friedrich Krupp ein Hüttenwerk in Rheinhausen (damals noch eigenständige Stadt) unmittelbar am Rhein errichten lässt. Die in den Hochöfen anfallende Schlacke wird auf Eisenbahnwaggons verladen, über den Rhein transportiert und hier abgeladen. Gleichzeitig wird ringsherum Kies ausgebaggert, der auch zur Verfüllung der Schlacke dient.

Zwischen der Vegetation schaut vereinzelt die Schlacke heraus

Mit Beginn des ersten Weltkrieges 1914 geht die Produktion im Hüttenwerk aufgrund mangelnder Rohstoffe jedoch stark zurück. Nach Kriegsende verbieten dann die belgischen Besatzer den Transport von Gütern über den Rhein, weshalb der Schlackeberg nicht mehr weiter anwächst. Damit ist das Gebiet südlich von Duisburg ohne Nutzen für Krupp und so überlässt er ab 1919 das Grundstück der Stadt für eine symbolische Miete, damit diese dort einen Sportpark zur Gesunderhaltung und Ertüchtigung der Bevölkerung errichten kann. Die drei durch die Kiesausbaggerungen entstandenen Seen werden nach seiner Mutter Magarete und seinen beiden Schwestern Barbara und Berta benannt. Dazwischen wird mit dem Bau der Regattabahn begonnen.

Der Schlackeberg zwischen der späteren Regattabahn und dem Barabarasee wird mit Erde abgedeckt und begrünt, bevor er im zweiten Weltkrieg eine neue Aufgabe erhält. Die Wehrmacht lässt hier zahlreiche Terrassen, Gräben und Bunkeranlagen für Flakgeschütze errichten, die den Duisburger Luftraum vor den allierten Luftangriffen schützen sollen. Immer wieder berichten Menschen, dass sie auch heute noch alte Munitionsreste rund um den Schlackeberg finden.

Alte Mauer am östlichen Hang des Schlackebergs

Von den eigentlichen Flakstellungen ist nicht mehr viel erhalten. Auf der Ostseite findet man noch drei Mauern und eine Terrasse.

Terrasse am östlichen Hang mit verrosteten Geländern

Am südöstlichen Ende des Schlackebergs findet man die einzige komplett erhaltene Flakstellung, die im Inneren aber aus Sicherheitsgründen mit Erde verfüllt wurde.

Flakstellung am südöstlichen Ende des Schlackebergs

Auf einer Seite führt eine kurze, ummauerte Treppe hinauf auf die durch Verfüllung entstandene Plattform, die offenbar später dort angebaut wurde. Welchen Nutzen sie einst gehabt haben mag, konnte ich bislang nicht herausfinden.

Zugangstreppe zur verfüllten Flakstellung

Rund um das Plateau des Schlackebergs führt heute ein Weg, der im Süden über eine Treppe oder einen langsam ansteigenen Weg auf der Ostseite erreicht werden kann; im Norden führt ein asphaltierter Weg hinauf auf das Plateau. Innerhalb des Rundwegs befinden sich hauptsächlich wenig gepflegte Wiesenstücke, die regelmäßig durch kleinere Baumgruppen unterbrochen werden.

Eine der vielen Wiesenstücke auf dem Schlackeberg

Die Hänge sind dagegen rundherum dicht durch Bäume und hohe Büsche bewachsen, sodass es leider keine wirklich interessanten Aussichtspunkte gibt. Ich werde mal schauen, wie es im Winter aussieht, wenn das Laub fehlt.

Wenig Aussicht vom Schlackeberg

Ich kann mich erinnern, dass in meiner Kindheit die Wiesen auf dem Schlackeberg häufig von Hundebesitzern angesteuert wurden. Damals wurde der Rasen aber noch regelmäßig geschnitten. Heute trifft man selbst bei schönstem Wetter nur wenige Menschen, die sich auf den Berg hinauf verirren. Die meisten folgen dem Rundweg um die Regattabahn ohne den Berg näher zur Kenntnis zu nehmen.

Quellen: